DIE WIEDERENTDECKUNG DES SPIELS

Foto: Erik Biembacher
Foto: Erik Biembacher
Als in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die Märkte zunehmend gesättigt waren, galt es, einen neuen Typus Mensch zu erschaffen, weniger ernst und sparsam, eher spielerisch, abenteuerlustig und konsumorientiert.

Die daraus entstandene Vorstellung der ‘Persönlichkeit’ unterschied sich komplett von der des ‚guten Charakters’. Leitsätze wie „Lebe deine Individualität“ oder „Sei ganz du selbst“ beschrieben eine nie zuvor gekannte Hinwendung zum ‚Selbst’.

„Ideologie, unveränderliche Wahrheiten und eherne Gesetze wirft man über Bord, um Aufführungen jeglicher Art Raum zu geben.“ (Rifkin: 263)


Durch die Reduktion von Arbeitszeiten erhöht sich heute die Chance, Spiel nicht nur als passiven Spaß und konsumierte Unterhaltung zu verstehen, sondern als einen aktiven, gemeinschaftlichen Vorgang, der inspiriert und zur Kreativität anregt. Hat der an der Produktion orientierte Kapitalismus Kreativität und das Spiel unterdrückt, so setzt der neue kulturelle Kapitalismus diese Bedürfnisse frei. Theatralische Bilder tauchen auf, was z.B. an Büchertiteln zu sehen ist wie: ‘Improvisation. Kunst und Regeln kreativen Wirtschaftens’ oder ‘Management als darstellende Kunst. Neue Ideen für eine Welt im chaotischen Wandel’. Bestehende Begriffe wie ‚industriell’ werden durch ‚kreativ’ abgelöst, die ‚Arbeitskraft’ wird zum ‚Player’. Die Spieler des Unternehmens sollen sich amüsieren und austauschen und so zur Kreativität angeregt werden. Einige Großunternehmen haben bereits Meditationsräume oder sogenannte ‚Humorräume’ mit Spielsachen und Videos zur Förderung spielerischer Ideenfindung eingerichtet. In einer sich zum Spielerischen hin orientierenden Gesellschaft wird das kreative Potential des einzelnen sowohl in Arbeitsprozessen als auch im täglichen Miteinander stärker wertgeschätzt als es in den Generationen vorher der Fall war.

„Sinkende Arbeitszeiten und das nachlassende Interesse am Besitz materieller Güter, die nicht mehr als einzige und befriedigende Ziele verstanden werden, bringen das Spiel wieder als grundlegende Kraft in die menschliche Gleichung zurück.“ (Rifkin: 355)

aus: Jeremy Rifkin: Access. Das Verschwinden des Eigentums - warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden, Fischer Taschenbuch Verlag, 2002

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